Rheinmetalls Ostflanke: NATO-Kriegskurs gegen Russland lässt größte deutsche Waffenschmiede wachsen

Superprofite dank Hochrüstung: Der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall expandiert gemeinsam mit der NATO gen Osten. In Rumänien verleibte er sich nun einen Hersteller von Militärfahrzeugen ein, bis 2026 will er seinen Umsatz verdoppeln. Verlierer ist die Bevölkerung.

Von Susan Bonath

Der westliche Imperialismus gerät militärisch außer Rand und Band. Während in Deutschland die öffentliche Daseinsvorsorge politisch schuldengebremst – neben vielen mittelständischen Unternehmen ebenso – am Boden liegt, expandiert der militärische Komplex. Der vom kriegerischen Rüstungswahn bestens profitierende größte deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall tut es dabei der NATO gleich: Er weitet seine Ostflanke aus.

„Fußabdrücke“ in Osteuropa

Die Düsseldorfer Waffenschmiede kaufte sich jüngst nach eigenen Angaben erstmals in Rumänien ein. Mit 72,5 Prozent erwarb Rheinmetall demnach den größten Anteil des dort ansässigen Herstellers von Militärfahrzeugen Automecanica SRL. Dieser habe ein „jährliches Umsatzpotenzial von rund 300 Millionen Euro“, heißt es. Der Konzern frohlockt weiter:

„Rheinmetall stärkt mit dieser Akquisition seinen Footprint in Zentraleuropa und erschließt sich erheblichen Umsatzzuwachs und neue, aussichtsreiche Kundenländer in der Region.“

Eindeutiger Wachstumsmotor für den Rüstungsgiganten ist somit das imperialistische Bestreben der NATO, westliche Dominanz über die osteuropäischen Märkte zu erlangen. Stramm marschieren die Truppen seines Militärbündnisses in diesem Sinne in Richtung Russland. Im „östlichen Bündnisbereich der NATO“, wie es Rheinmetall denn auch formuliert, sei man nun neben Ungarn und Litauen auch in Rumänien präsent.

Ukraine-Krieg kurbelt Profite an

Ein Hauptinteresse des deutschen Konzerns ist es daher, den Krieg in der Ukraine so lange wie möglich am Kochen zu halten. An dem Gemetzel, das bereits Hunderttausende meist junger ukrainischer Soldaten als Kanonenfutter in den Tod trieb, verdient Rheinmetall prächtig. Entsprechend groß ist dort die Freude über jeden weiteren Tag des Krieges:

„Der Standort in Mediaș, Rumänien, wird eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft der in der Ukraine eingesetzten westlichen Kampfsysteme und deren logistischer Betreuung erhalten.“

Das übernommene Unternehmen „Rheinmetall Automecanica“ werde so „Teil des weltweiten Produktionsnetzwerks“ des Düsseldorfer Rüstungskonzerns, teilte dieser weiter mit. Man werde dort unter anderem Militärfahrzeuge aller Art und Fahrgestelle für Flak-Geschütze instand setzen und die Rolle als „leistungsfähiger Partner der rumänischen Streitkräfte“ übernehmen und ausbauen.

Rheinmetalls Vorstandschef Armin Papperger freut sich in ebenso blumigen Worthülsen über einen damit gelungenen „bedeutenden Meilenstein für unsere strategische Ausrichtung“. Sein Konzern wolle „die Erwartungen, die Politik und Militär an uns haben, bestmöglich erfüllen“. Er fügte an:

„Das wird dazu beitragen, die Verteidigungsfähigkeit von EU und NATO an der Ostflanke weiter zu stärken.“

Aufrüstung statt Armutsbekämpfung

Erst vor knapp zwei Monaten hatte sich Rheinmetall beim rumänischen Verteidigungsministerium einen Großauftrag an Land gezogen. Für fast 330 Millionen Euro soll der deutsche Konzern die Flugabwehr-Artilleriesysteme von Rumäniens Armee vom Typ Oerlikon GDF 103 modernisieren. Dabei ist Rumänien das EU-Land mit der größten Armutsquote von offiziell über 34 Prozent – Tendenz mit Zunahme der Inflation steigend. Vor allem Roma und Sinti leiden in Rumänien unter massiver sozialer Ausgrenzung, viele leben in menschenunwürdigen Slums.

Doch Aufrüstung ist den Herrschenden wichtiger, als etwa Armut zu bekämpfen – darin unterscheidet sich die rumänische Regierung nicht von den politischen Führungen der anderen NATO-Mitgliedstaaten. Auch dort nehmen die sozialen Verwerfungen seit Jahren tendenziell zu, begleitet von einer ausgewachsenen Wirtschaftskrise. Die politische Antwort ist überall gleich: Sozialabbau.

Rheinmetalls Umsatz-Höhenflug

Damit das Kriegsgeschäft brummt, hat die NATO ihren Mitgliedstaaten das Ziel vorgegeben, mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes in den Militärhaushalt zu pumpen. Deutschland wird die Vorgabe mit rund 85 Milliarden Euro in diesem Jahr wohl sogar übererfüllen. Das Volumen des bundesdeutschen Militärhaushalts hat sich damit seit 2017 etwa verdoppelt.

Und Rheinmetall profitiert prächtig von der Militarisierung auf Kosten der Steuerzahler. Zuletzt frohlockte der Konzern über zahlreiche Großaufträge. In Ungarn baut er dafür beispielsweise seine Munitionssparte massiv aus. Bauteile für Panzerfahrzeuge und Munition für Puma-Panzer spülen jeweils höhere dreistellige Millionenbeträge in die Konzernkassen. Viele weitere Millionenaufträge kommen hinzu.

Der neue, nicht mehr ganz so kalte Krieg gegen Russland und seine praktischen Folgen in der Ukraine beschleunigt die Monopolisierung des NATO-Militärkomplexes. Als bisher fünfgrößter europäischer Rüstungskonzern hat Rheinmetall dabei die Nase weit vorn. 2020 lag sein Jahresumsatz bei rund 5,4 Milliarden Euro, für letztes Jahr hatte der Konzern einen Umsatz von bis zu 7,6 Milliarden anvisiert, dürfte aber die Acht-Milliarden-Marke knacken. Bis 2026 rechnet Rheinmetall sogar mit einem Anstieg seines Jahresumsatzes auf 13 bis 14 Milliarden Euro.

Der Rheinmetall-Vorstandschef Papperger sah seine Kriegsprofitmaschine schon Ende letzten Jahres auf „gutem Kurs“. Er sprach von „ehrgeizigen Jahreszielen“ für ein „nachhaltiges profitables Wachstum“. Sein Unternehmen werde „gebraucht, wenn es darum geht, den dramatisch gestiegenen Bedarf vieler Länder an militärischer Ausrüstung zu decken“, jubelte er. Dramatisch könnte das allerdings tatsächlich auch für die Normalbevölkerung in Deutschland enden.

Quelle: RT DE

Beitragsbild: Dennis Schlendner via Pixelio.de

Flüchtlinge – Anna Loos: „Helft und gebt! Nehmt die Politiker in die Pflicht“

Wann ist das Ende der Fahnenstange erreicht? Das Mittelmeer ist längst ein Massengrab. Für Menschen – ja: Menschen! – die vor Krieg, Elend und Aussichtslosigkeit aus ihren Heimatländern fliehen. Um ihr pures Leben und das ihrer Kinder zu retten. Fluchtursachen sind Kriege der USA, Großbritanniens und Frankreichs, im Afghanistan, Irak und Libyen und Dikatoren wie Syriens Assad und die Schlächter des sogenannten Islamischen Staates – welchen die USA sehenden Auges haben entstehen lassen, um ihn gegen Assad als blutiges Werkzeug zu benutzen. Zurück blieben kaputte Staatswesen und zerstörte Lebens- und Arbeitswelten der in diesen davon betroffenen Ländern lebenden Menschen.

Täter und Festung Europa

Aber auch „Friedensnobelpreisträger“ Europäische Union ist kein Unschuldslamm. Hehre Werte hin oder her. Welche haben noch Geltung? Die EU nimmt mit ihren Fangflotten den afrikanischen Fischern die Lebengrundlage und sorgt mit eigenen in afrikanische Staaten exportierte Waren (etwa Tomaten und Hähnchenteile) dafür, dass die heimischen Farmer mit den niedrigeren (!) Preisen der Europäer nicht mehr konkurieren können. Die Folge: auch sie verlieren ihre Existenzgrundlage. In ihrer Not wagen sie die gefährliche Überfahrt übers Mittelmeer nach Europa, um dort Arbeit zu suchen. Konnten sie früher noch per Flugzeug oder auf dem Landweg nach Europa gelangen, so ist das längst nicht mehr möglich. Dieselbe EU, die dazu beiträgt, dass ihre heimische Existenz zerstört wurde, hat sich gegen sie abgeschottet. Stichwort. Festung Europa. So vertrauen sich die Menschen Schleppern und klapprigen Booten an. Wenn sie Pech haben, ertrinken sie im nassen Grab Mittelmeer. Oder sie ersticken elendig in einem Transporter auf einer österreichischen Autobahn. Wie diese Woche geschehen. 71 Menschen – vermutlich Flüchtlinge aus Syrien – fanden so einen grausamen Tod im Laderaum eines Lastkraftwagens.

Statt die Schlepper Fluchtursachen bekämpfen!

Und nun schreien verantwortliche EU-Politiker Zeter und Mordio. Und betoffen sind sie. Klar! Dabei tragen auch sie Verantwortung für den Tod der Menschen. Die Schleuser seien die Bösen und schuldig, tönen sie unisono. Die müssten bekämpft werden. Warum nicht endlich die Fluchtursachen?!

Der Blogger Emran Feroz über die „todbringende europäische Flüchtlingspolitik“

Der Blogger Emran Feroz hat als Schuldige am „Flüchtlingsmassaker in Österreich“ nicht in erster Linie die Schlepper ausgemacht. Auf seinem Facebook-Account hat er aufgeschrieben, „warum nicht Schleuser die Hauptverantwortlichen für das Flüchtlingsmassaker in Österreich sind.“ Feroz zitiert aus seinem Artikel im „neuen deutschland“:

„In Österreich wurden zahlreiche Flüchtlinge tot in einem Lastwagen aufgefunden. Sie sind erstickt. Die Hauptschuld am Massaker tragen nicht Schleuser, sondern der fremdenfeindliche Status Quo in der Alpenrepublik sowie eine todbringende europäische Flüchtlingspolitik.“

Fremdenfeindlichkeit (neben zugegeben in Österreich wie in Deutschland auch vorhandener großer Hilfsbereitschaft den Flüchtlingen gegenüber) rülpst auch aus bundesdeutschen Menschenmündern. Und zwar aus jenen von als „besorgte Bürger“ oder „Asylkritiker“ bezeichnete Einwohner des sächsischen Ortes Heidenau, welche SPD-Chef Gabriel bei seinem kürzlichen Besusch dort als „Pack“ zu bezeichnen pflegte.

Aber auch übliche Verdächtige unter den Politikern, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann können ihr rechtspopulistisch gefärbtes Wasser zuweilen nicht halten. Als Sascha Lobo in der Illner-Talkshow kürzlich den Journalisten Mario Sixtus und dessen Tweet „Im Übrigen sollten wir nicht mehr von Flüchtlingen sprechen, sondern von Vertriebenen. Das bringt die Konservativen völlig durcheinander.“ zitierte, kam der stramme CSUler Joachim Herrmann tatsächlich in Wallung. Sind doch die Vertriebene eine nicht zu unterschätzende CSU-Wählergruppe mit viel Einfluss. Herrmann sprach süffisant von einer „Beleidigung der Vertriebenen“. Lobo warf dem bayrischen Innenminister daraufhin Rassismus vor.

Das Ende der Fahnenstange ist längst erreicht!

Um auf den Anfang zurückzukommen: Das Ende der Fahnenstange ist längst erreicht! Wenn es der Fall der erstickten Flüchtlinge in LKW nicht ist, was dann?

Mit Stephané Hessel muss es jetzt nicht nur „Empört euch!“ heißen, sondern mit Rainer Kahni auch „Wehrt euch!“ Nicht zuletzt müssen wir dem Ruf „Solidarisiert euch!“ von Andreas Ehrholdt folgen. Wenngleich alle drei Schriften nicht explizit die Flüchtlingsproblematik zum Inhalt haben, beschäftigen sie sich immerhin mit gesellschaftlichen Missständen, die auch Flüchtlingselend und Armut bewirken.

Wir müssen uns dringend um ein anderes geistiges Klima in der Gesellschaft bemühen. Was auch hieße, den Flüchtlingen gegenüber anders zu begegnen. Schließlich können wir alle zu Flüchtlingen werden. Auch ich war 1989 einer. Und der damaligen ungarischen Regierung dankbar, dass sie den Stacheldraht zerschnitt und uns DDR-Flüchtlinge die Grenze zu Österreich passieren ließ. Um so finsterer, dass die nunmehrige Regierung unter dem Rechtspopulisten Viktor Orban wieder Stacheldraht an der Grenze auslegt, um die Flüchtlinge abzuwehren!

Gestern stieß auf einen klugen und von Herzen kommenden Willkommensruf der Schauspielerin und Sängerin der Gruppe Silly, Anna Loos an die Adresse der Flüchtlinge. Mit Genehmigung der Autorin veröffentliche ich ihn hier und lege den Text meinen Leserinnen und Lesern wärmstens ans Herz:

Refugees Welcome! (von Anna Loos via Facebook)

Vor vielen Jahren bin ich als junges Mädchen über die Tschechoslowakei nach Ungarn geflohen, von dort aus ging es weiter über Österreich nach Deutschland.

Ich kam aus keinem Kriegsgebiet und musste keinen Hunger leiden. Ich bin aus einer Diktatur geflohen die für mich unerträglich war und in der ich für mein Leben keine Zukunft sah.

Ich habe meine Familie, meine Freunde und meine Heimat verlassen um mein Leben in einem freien und friedlichen Land in die Hand zu nehmen und daraus grenzenlos, ohne Einschränkung und Reglementierung, das zu machen wovon ich als Kind träumte.
In der kleinen, neuen, fremden Welt, in der ich ankam, galt ich als „Deutsche“. Ich beherrschte die Sprache, bekam Hilfe und die Chance mir mein Leben aufzubauen. Wie viel schwieriger muss es für all die Menschen sein welche, traumatisiert von den Erlebnissen in ihrer Heimat, in Länder flüchten in denen sie erst einmal die Sprache lernen müssen. Am Ende müssen sie erleben wie sie Gruppen gegenüberstehen, die Ihnen voller Hass Parolen entgegen brüllen, die sie nicht willkommen heißen.

Meine Eltern stammen beide aus Familien die auf der Flucht waren. Meine Mutter aus Polen und mein Vater aus Ostpreußen. Für meine Großeltern und Ihre Familie war die Zeit der Flucht und des Wiederaufbaus, der Leben Ihrer Familien fern der Heimat, eine unendlich schwere Zeit. Auch sie waren nicht immer willkommen, wurden angefeindet und teilweise an den Rand der Gesellschaft gedrückt. Nie habe ich meine Großeltern jammern gehört. Sie haben Ihr ganzes Leben hart gearbeitet, sich integriert und Werte geschaffen. Sie haben Bildung und Moral gepflegt und die nächste Generation mit all Ihrer Kraft genährt.

Wenn Menschen Hilfe brauchen, dann ist der Stärkere nicht nur in der Lage, sondern auch verpflichtet diesen Menschen zu helfen.

Einige der Ursachen, weshalb Menschen heute auf der Flucht sind, haben auch wir mit zu verantworten. Ich fordere die Politiker Europas auf, dass Sie sich neben der aktuellen Flüchtlingsproblematik auch darum kümmern, dass die Ursachen, welche zu den katastrophalen Zuständen in den Ursprungsländern führen, bekämpft werden.

Diese globale Welt wird immer kleiner und wir können es nur gemeinsam schaffen.

Denkt nach und benutzt, das was uns vom Tier unterscheidet und hört auf mit der Entmenschlichung in alle Richtungen.

Überwindet Eure Ängste. Schaut nicht auf anonyme Zahlen sondern schaut Euch die Menschen, welche in unser Land kommen, an und begegnet Ihnen. Eure neuen Kindergärtner, Krankenpfleger, Lehrer, Ärzte, Reinigungskräfte, Maurer, Taxifahrer, Gärtner oder Wissenschaftler.
Helft und gebt! Nehmt die Politiker in die Pflicht.

Dann werden alle gewinnen.

Dortmund #protestbamfdo – Protestcamp syrischer Flüchtlinge ist nun auf einen Platz unweit des Hauptbahnhofes gezogen

Fotos vom Protestcamp syrischer Flüchtlinge in der Innenstadt von Dortmund; Claus-Dieter Stille

Fotos vom Protestcamp syrischer Flüchtlinge in der Innenstadt von Dortmund; Claus-Dieter Stille

Die Flüchtlinge sind fast täglich in der Tagesschau. Und doch weit weg. Es gelingt ihnen zuweilen bis nach Lampedusa in Italien zu gelangen. Andere haben Pech: Friedensnobelpreisträger EU schottet sich ab und lässt viele der Flüchtlinge einfach im Mittelmeer ertrinken. Denn die italienische Rettungsmission „Mare Nostrum“ wurde eingestellt. Den Italienern war sie zu teuer geworden. Andere EU-Länder hatten sich finanziell nicht beteiligen wollen. Trotz aller Abschottung und sonstiger Widrigkeiten kommen Flüchtlinge durch nach Europa. Sogar bis nach Dortmund ins Ruhrgebiet. Über 2000 Flüchtlinge soll es derzeit in Dortmund geben. Zuständig für sie: ganze 6 Sozialarbeiter. Die Menschen sind für gewöhnlich nicht im Gesichtsfeld der Dortmunderinnen und Dortmunder. Was sich nun von einen Tag auf den anderen geändert hat.

Die Bearbeitung der Asylanträge verläuft zu schleppend

20150617_124938Seit vergangener Woche demonstrieren die Syrerinnen und Syrer, Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland, vor der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Dortmund. Ihre Forderung: eine schnellere Bearbeitung ihrer Asylanträge. Viele warten auf ihre Anhörung. Schon seit Monaten. Manche gar seit einem Jahr. Erst nach dieser Anhörung können sie einen Aufenthaltstitel bekommen. Ohne diesen sie haben sie keine Chance z.B. ihre Familien, welche sich noch im syrischen Kriegsgebiet befinden, nachzuholen. Um die stehen sie fürchterliche Ängste aus. Mütter und Kinder sterben jeden Tag dort. Doch das Amt ist anscheinend überfordert. Die Bearbeitung der Asylanträge verläuft schleppend.
Neonazis mobilisierten gegen das Flüchtlingsprotest-Camp
Mit ihrem Protestcamp im Dortmunder Westen wollten die syrischen Flüchtlinge friedlich auf ihre Lage aufmerksam machen. Doch die Partei Die Rechte , Neonazis, mobilisierten gegen das Camp. Schon am ersten Tag des Flüchtlingsprotestes marschierten zirka 20 Dortmunder Neonazis auf deren Camp zu. Sie skandierten rechten Parolen wie „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“ und trugen (wie schon einmal beim Sturm auf das Dortmunder Rathaus in der Kommunalwahlnacht) gelbe T-Shirts mit dem Aufdruck „Stadtschutz“.

Polizei spricht von „Methoden wie in der Nazizeit“

20150617_130329Die Dortmunder Polizei, die in der Vergangenheit auf rechte Demonstrationen nicht selten fragwürdig reagierte, war diesmal rechtzeitig vor Ort präsent. Rechtsextremen erhielten von der Polizei Platzverweise. Es gab einige Festnahmen. Auch der rechte Ratsherr Michael Brück kam in Gewahrsam. Vergangenen Freitag dann versuchte sich ein syrischer Flüchtling, sich selbst anzuzünden. Der Versuch misslang glücklicherweise. Dessen Mitstreiter verstanden dessen Verzweiflung, distanzierten sich aber davon. Man sprach von einer „falschen Botschaft“. Nicht wenige Dortmunderinnen und Dortmunder zeigten sich solidarisch mit den Flüchtlingen. Sie brachten Isomatten, warme Getränke und Essen ins Camp. Viele Helfer sind via Twitter unter dem Hashtag #protestbamfdo organsisiert. Ein Syrer namens Khatib: „Wir sind der Polizei und den Dortmundern unbeschreiblich dankbar für alles.“ Die Polizei selbst sprach betreffs der Aktionen der Rechtsextremen von „Methoden wie in der Nazizeit“. Der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange versprach alles zu unternehmen, um den Schutz der Flüchtlinge, deren Demonstration genehmigt ist, sicherzustellen.

Das Protestcamp wurde nun ins Dortmunder Zentrum verlegt

20150617_130127Am Dienstag dieser Woche nun marschierten die Flüchtlinge von Unterstützern aus der Dortmunder Bevölkerung begleitet und unter ständigen Polizeischutz in die Innenstadt. Hin zu einem neuen Platz für ihre Protestcamp oberhalb der Katharinentreppen gegenüber dem Dortmunder Hauptbahnhof.
Und zwar obwohl die Neonazis den Platz für ihre wöchentliche Mahnwache nutzen. Das Camp wird nach Absprache mit der Polizei nun erst am Dienstag in die Innenstadt verlegt. Eine Konfrontation möchten die Syrer indes vermeiden. Kathib: „Wir vermissen Syrien. Wir haben uns die Situation nicht ausgesucht, aber jetzt gebt uns doch die Gelegenheit, gute Mitbürger zu sein.“

Ein gut gewählter Platz

Der Chronist besuchte heute Mittag das Camp an der Katharinenstraße. Unter Planen und zeltähnlichen Gebilden sitzen die Syrer auf Decken und Kissen nun vor einem Gebäude, dass der Stadt Dortmund gehört und irgendwann einmal zu einem Hotel umgebaut werden soll. Auf Facebook schlug heute jemand vor, die Stadt könne das ohnehin nicht genutzte Haus ja temporär den Flüchtlingen als Unterkunft zur Verfügung stellen. Während meines Besuches ist alles ruhig. Mehrere Polizeifahrzeuge stehen links und rechts des Weges. Die Polizeibeamten sind in Bereitschaft.

20150617_125049Mein Eindruck: Der Platz ist gut gewählt. Schließlich gehen hier täglich tausende auf dem Weg vom Bahnhof in die Stadt oder umgekehrt vorbei. Und die Passanten schauen auch nach dem Camp. Sie studieren die selbstgemalten Plakate und Schilder. Darauf steht zu lesen „Unsere Familien sind noch im Kriegsgebiet“, „Wir wollen uns integrieren“ oder „Wir wollen hier arbeiten und lernen“ . Ab und an kommen sogar Passanten mit den Flüchtlingen ins Gespräch. Ein Kamerateam interviewt gerade einen Flüchtling. Dieser erklärt die Aktion und spricht von der schlimmen Situation zuhause in Syrien. Der Mann mahnt Europa an, den Flüchtlinge wieder legale Möglichkeiten zu eröffnen, um nach Europa zu gelangen, damit man dort einen Asylantrag stellen könne. Diese Möglichkeiten seien unterminiert worden. Weshalb viele Flüchtlinge die gefährliche Fahrt übers Mittelmeer in letzter Verzweiflung wagten. Über die Aufnahme durch hilfsbereite Menschen und die netten Behandlung äußert sich der Mann sehr erfreut und dankbar. In anderen Ländern sei das so nicht der Fall. Eine älterer Frau aus Dortmund spricht das die Reporterin des Kamerateams an. Sie erzählt spontan, dass auch ihre Mutter einst nach dem Zweiten Weltkrieg mit zwei Kindern als Flüchtling in die Region gekommen war. Sie könne also ziemlich gut verstehen, was die Flüchtlinge fühlen und wie sie litten, weil sie ihre Heimat hinter sich lassen und die Familien zurücklassen mussten.

50 Millionen Menschen sind momentan weltweit auf der Flucht

Die Flüchtlinge des Dortmunder Protestcamps wollen einfach verstanden werden. Womöglich gelingt das in gewisser Weise an diesem prominentem Ort in der Dortmunder Innenstadt. Die Flüchtlinge sind fast täglich in der Tagesschau. Und doch so weit weg. Aber plötzlich stehen sie vor der eignen Haustür, tauchen in der eignen Stadt auf. Wann begreifen wir endlich, dass die Abschottungspolitik nicht auf Dauer funktionieren kann? Über 50 Millionen Menschen sind momentan in der Welt auf der Flucht! Nicht mitgerechnet viele Binnenflüchtlinge in Krisenländern wie Syrien. Dort sind es um die 6 Millionen. Das die Flüchtlingszahlen steigen, hat mit uns Europäern zu tun.
Neue Mauern in Europa

Heute lese ich, dass Orbans Ungarn plane, einen Grenzzaun an der Grenze zu Serbien zu errichten. Welch Wahnsinn! War es doch Ungarn, dass einst die Grenze für Flüchtlinge aus der DDR öffnete, den Stacheldraht öffentlichkeitswirksam durchtrennen ließ. Und nun baut Budapest wieder eine Stacheldrahtzaun?! Kann diese Europa, die EU, noch eine nennenswerte Zukunft haben? Es wird seitens herrschender Politik oft von europäischen Werten geschwafelt – welche sind denn das konkret?